Safari Äthiopien Teil 2
„Safari Äthiopien – Teil 2“ – das Beste kommt noch
Wer Teil 1 noch einmal nachlesen möchte, bitte hier klicken.
Im Omo Valley
Nach unserem Ausflug zum Krokodilmarkt auf dem Chamo See bin ich froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Die heutige Etappe führt uns noch weiter nach Süden ins Omo Tal.
Der Omo ist ein ganzjährig wasserführender Fluss, der nahe der Grenze zu Kenia in den Turkana See mündet. Ein weiterer geplanter Staudamm (Gibe III) soll den südwestlichen Teil des Flusses aufstauen und somit den natürlichen Flutzyklus des Flusses beenden. Der jedoch wird von der indigenen Völker zum Anbau von Lebensmittel gennutzt. Dies wird sowohl von Menschen- und Umweltschützern als auch von der UNESCO kritisiert: der Damm würde den Menschen die Lebensgrundlage nehmen und außerdem das Weltkulturerbe des unteren Omo Tals zerstören.
Heute Nachmittag steht ein Besuch bei einem dieser Völker auf dem Programm: wir sind in einem Dorf der …..
Hamar
Die Hamar sind hauptsächlich Hirten, leben von ihren Herden, die sie mit Milch, Fleisch und Blut versorgen. Außerdem sind die Rinder und Ziegen Statussymbole. Es obliegt den Männern, sich um die Tiere zu kümmern, während die Frauen für den Anbau von Hirse während der Regenzeit verantwortlich sind.
Bekannt sind die Hamar vor allem für ihren „Sprung über die Rinder“, der als Initiationsritual – mittlerweile auch für Touristen – ausgeführt wird. Bei unserem Besuch im Dorf haben wir hauptsächlich Frauen angetroffen.
Eine ganz besondere Bedeutung in der Gesellschaft der Hamar hat die Haartracht. Die Frauen tragen dünn geflochtene Zöpfe, die Haare der Männer werden mit Ton oder Lehm eingerieben und oft mit eingesteckten Federn geschmückt.
In langen und schmerzhaften Sitzungen werden hauptsächlich den Männern die geometrischen Schmucknarben von einem speziellen Meister geschnitten. Diese Narben gelten als Schönheitsideal.

Hamar Frau vor ihrem Haus. Sie trägt zwei silberne Halsreifen. Daran ist erkennbar, dass sie die Zweitfrau eines Mannes ist.

Bienenstöcke: in diesen Rollen, die in den Kronen von Akazien befestigt werden, leben wilde Bienenvölker. Es ist die Aufgabe der Männer, für Honig bei den Festen zu sorgen.
Es ist schon recht spät, als wir das Dorf verlassen. Auf dem Weg zum Hotel erzählt uns Debebe, dass es in Äthiopien mengenmäßig die meisten Herdentiere gibt: gemäß einer Zählung aus dem Jahre 2012 gibt es hier etwa 6 Millionen Esel und mit der riesigen Zahl an Rindern, Ziegen, Schafen und Maultieren steht das Land auf Platz 1 des gesamten Kontinents.
Dassanech
Bevor wir das Dorf der Dassanech besuchen können, müssen wir ein Hindernis überwinden: den Omo Fluss. Das wird wieder eine Premiere, denn ich habe noch nie in einem Einbaum gesessen. Schnell haben wir den Fluss überquert und klettern die Böschung hoch.
Nicht weit vom Ufer erreichen wir auch schon das Dorf. Auch hier begleitet uns ein lokaler Guide. Er übersetzt, denn es gibt viel, was man von uns wissen will und umgekehrt wir von den Menschen hier.
Die Dassanech sind das am weitesten im Süden – nahe der Mündung des Omo in den Turkana See – lebende Volk in Äthiopien. Sie leben hauptsächlich von ihren Rinderherden. Dank des nahen Omo Flusses stehen aber auch Fische und Krokodile auf dem Speiseplan.
Es ist üblich in Äthiopien, dass Touristen für den Besuch in einem Dorf bezahlen. Das übernimmt Debebe immer für uns. In diesem Preis ist das Fotografieren des Dorfes, der Häuser, der Tiere etc. enthalten. Nicht jedoch das Ablichten von Menschen. Debebe erklärt uns, dass es einen einheitlichen Preis pro fotografierter Person gibt: für ein Foto erhält jede/r Fotografierte 5 Birr. Das sind etwa 20 Cent. Nimmt man eine Gruppe von fünf Personen auf, kostet es 25 Birr – für jede/n also immer 5 Birr – für jedes Foto. Wir finden das korrekt.
Im Dorf der Dassanech verhandelt unser lokaler Guide einen „Einheitspreis“ aus und viele lassen sich gerne fotografieren.

Diese jungen Frauen haben ungeheuren Spaß: Sie stellen sich aus einem rechteckigen Stück Pappe eine „Kamera“ her und tun so, als würden sie uns fotografieren. Dabei lachen sie die ganze Zeit – und halten uns einen Spiegel vor.
Trotz der guten Stimmung müssen wir Abschied nehmen. Wir überqueren erneut den Omo Fluss, bevor wir in Key Afer in das bunte Treiben des berühmten Marktes eintauchen.
Mittagspause in Key Afer
Key bedeutet „rot“ und gibt dem Ort den Namen nach der hier vorherrschenden roten Erde. Der Markt in Key Afer ist sehr berühmt und der Haupthandelsplatz für die in der Umgebung siedelnden Stämme. Man kann sich kaum satt sehen an der Buntheit und Vielfalt des Marktes und den angebotenen Waren.

… auf dem es nicht nur Gemüse, Obst, Getreide, Fleisch gibt, sondern auch andere Produkte: Plastikschüsseln und -eimer in jeder Farbe und Form.

Für Touristen sind diese Gegenstände des Marktes jedoch wesentlich interessanter: Kalebassen, Statuen, Figuren, Ekichalongs und vieles mehr.

Junger Mann auf dem Markt mit Narben an den Schläfen. Debebe erzählt uns, dass diese von einer besonderen medizinischen Zeremonie stammen.
Nach diesem quirligen Ort ist die Ruhe in der Eco Omo Lodge in Jinka sehr wohltuend. Und wir freuen uns auf das Abenteuer des nächsten Tages: wir werden die legendären Mursi besuchen.
Mursi
Wieder heißt es früh aufstehen: wir wollen zu den Mursi. Die Fahrt durch den Mago Nationalpark, einem der acht Nationalparks in Äthiopien, zeigt uns mit offenem Grasland wiederum ein neues Bild des Landes. Der Mago Nationalpark wurde 1971 zum Schutz von Großsäugern wie Büffeln, Giraffen und Elefanten gegründet, die sich heute jedoch vor uns verstecken. Doch wenigstens Paviane und Colobusaffen lassen sich sehen.
Unser lokaler Guide wartet schon auf uns. Als wir das Dorf erreichen, werden wir von einem Herrn begrüßt. Er zeigt immer wieder aufgeregt auf ein Ding: es ist eine Taschenlampe und dank unserem Guide wissen wir, was er von uns will: Batterien! Glücklicherweise haben wir die passenden dabei und geben ihm noch einige als Ersatz. Er ist zufrieden und gibt uns zu verstehen, dass wir ihn fotografieren sollen – sozusagen als Bezahlung!
Einige weitere Mursi-Männer liegen im Schatten – vor dem umzäunten Dorf. Im Dorf selbst sehen wir – wie schon in den anderen Dörfern -nur Frauen und Kinder.
Ich habe schon so viele Bilder, vor allem in Dokus, von den Mursi-Frauen und ihren als Schönheitsattribut geltenden Lippentellern gesehen. Als ich sie jetzt in Natura sehe und daran denke, wie dieses Aussehen zustande kommt, schaudert es mich ein wenig: Sobald die Mädchen ins heiratsfähige Alter kommen, wird ihnen ein Loch unterhalb der Unterlippe gestochen, das mit immer größeren Gegenständen geweitet wird, bis die Lippe so gedehnt ist, dass die großen und bunt bemalten Lehmscheiben hineinpassen. Sogar die unteren Schneidezähne werden entfernt.
Debebe erzählt uns später von einer gängigen Theorie, wie bzw. warum dieser Brauch – und beispielsweise auch der bei vielen Stämmen praktizierte Brauch der Anbringung von Ziernarben – entstanden ist: Als in früheren Jahrhunderten arabische Sklavenjäger durch das Land zogen, suchten sie nur makellose und schöne Menschen. Man begann daher, junge Frauen und Männer für die Sklavenjäger unattraktiv zu machen, indem man sie mit Narben verunstaltete oder auch die Ohrläppchen und Lippen weitete. Im Laufe der Zeit wandelte sich dies bei den Stämmen dann zu Schönheitsattributen und gehörte zum Erwachsenwerden bzw. den Initiationsriten.
Heute ist dies alles staatlicherseits verboten. Soweit das Gesetz. Ob es von den Stämmen respektiert wird, ist auch von den einzelnen Personen abhängig. Immer noch lassen sich junge Frauen die Lippen weiten, um Lippenteller tragen zu können. Andererseits bezahlt der Staat die Operation, wenn eine Frau gewillt ist, sich die Unterlippe „zunähen“ zu lassen. Zwar sieht man immer noch eine Narbe, doch ist diese klein im Verhältnis zu der einst riesigen geweiteten Lippe.
Der Volksstamm der Mursi zählt heute ungefähr noch 4.000 Menschen. Sie leben hauptsächlich von Viehzucht, aber auch von Ackerbau. Außerdem bessern die als aggressiv geltenden Mursi ihr Einkommen damit auf, dass sie sich von Touristen fotografieren lassen. Dies tun sie scheinbar gerne und oft, denn sie posieren bereitwillig und in oft sehr fotogener Pose. Die nächsten Fotos sprechen daher für sich:

Mursi Frau mit Kind. Der kleine Korb enthält weitere Lippenteller, die sie auch an Touristen verkauft.

Junges Mädchen mit Ziernarben am Oberarm und geweiteten Ohrläppchen, jedoch ohne geweitete Unterlippe.
Ich muss zugeben, dass es mich immer wieder bei der Vorstellung gruselt, dass meine Unterlippe geweitet würde oder mir Ziernarben an Armen oder Rücken angebracht würden. Aber: ich würde mir auch keine Tattoos oder Piercings stechen lassen!
Auf dem Rückweg durch den Mago Nationalpark sehe ich immer noch diese aus unserer Sticht entstellten Frauen vor mir, ihren wunderschönen Kopfschmuck, ihre bunte Kleidung – und ihr Lächeln und ihren Stolz auf ihre Schönheitsattribute. Schönheit ist relativ – das habe ich heute wieder einmal erfahren.
Konso
Seit 2011 gehört die Kulturlandschaft der Konso mit den steinernen Terrassen und befestigten Siedlungen zum UNESCO Weltkulturerbe. Und zu einem der Konso Dörfer sind wir nun unterwegs.
In der Nähe des Dorfes holen wir unseren Local Guide ab.
Gemeinsam mit ihm betreten wir eine Welt, wie sie im Vergleich zu dem nur etwa 150 km Luftlinie entfernten Mursi Dorf von heute Morgen nicht unterschiedlicher sein könnte: Das Dorf ist – wie alle Dörfer der Konso – sehr dicht bebaut und mit hohen und massiven Steinwällen umzäunt. Früher dienten diese u. a. zur Abwehr von Feinden und wilden Tieren wie Hyänen oder Löwen. Die wenigen Eingänge wurden rund um die Uhr von Männern bewacht.
In der Nähe des Dorfes kann man die terrassenförmigen Felder erkennen. Diese Terrassenfelder und die kunstvollen Dörfer bilden gemeinsam die Kulturlandschaft der Konso, die unter den Schutz der UNESCO gestellt wurde.

Der Muringa Baum gehört zu den wichtigsten Nahrungsmitteln der Konso: die Blätter werden in Wasser gekocht und als Gemüse gegessen.
Eine Art „Hinkelsteinwerfen“ gehört zu den Prüfungen, denen sich ein heranwachsender Mann bei den Konso stellen muss: der Stein muss über den Kopf nach hinten geworfen werden. Wer schafft es?
Nach so viel Kultur und Kräftemessen freuen wir uns auf die Paradise Lodge und unseren letzten Abend in Äthiopien.
Die Stelen von Tiya
Der letzte Tag ist angebrochen und auf dem Weg nach Addis Abeba, von wo wir abends zurück nach Deutschland fliegen, besuchen wir noch eine weitere UNESCO-Weltkulturerbestätte: die Stelen von Tiya.
In der Nähe der Stadt Tiya befindet sich diese wichtigste der bislang 160 entdeckten archäologischen Stätten im Soddo-Gebiet. Die Stätte besteht aus 36 Einzelmonumenten. 32 der steinernen Stelen sind mit Symbolen einer alten äthiopischen Kultur bedeckt.

Die bis zu 5 Meter hohen Stelen zeigen unter anderem Symbole von Schwertern und menschenähnlichen Figuren. Sie sind Zeitzeugen für eine alte, antike äthiopische Hochkultur.
Adadi Mariam Felsenkirche
Diese Felsenkirche ist die südlichste in Äthiopien, doch nicht minder interessant als ihre Schwestern im Norden des Landes.
Abschied
Leider ist es schon recht spät und die Zeit drängt. Wir müssen los, weil wir abends nach Deutschland zurückfliegen.
Als wir in Addis Abeba ankommen, fängt es an zu regnen. Das passt zu unserer Stimmung.
Bald heißt es Abschied nehmen von Debebe und Robé. Die beiden bringen uns zum Flughafen, doch wir sind sicher, dass wir uns wiedersehen werden.
Danke an Debebe dafür, dass er nicht müde wurde, unsere Fragen zu beantworten, dass er uns mit vielen Geschichten unterhalten hat und uns in jeder Hinsicht umsorgt hat.
Danke an Robé für seine Fahrtkünste – auch wenn noch so viele Rinder auf der Straße waren – und dass er ohne zu murren auch zum zigsten Mal angehalten hat, wenn wir ein Foto machen wollten.
Danke an dieses wunderbare Land, das so einzigartig in Afrika ist. Danke, dass es sich uns geöffnet hat.
5 Comments
Reinhold
about 5 Jahren agoHallo Bärbel! Danke für deinen wieder mal wunderbaren und umfangreichen Bericht. Es kommt mir vor, als würdest du neue Länder und Völker entdecken.
AntwortenHuebscher
about 5 Jahren agoLieber Reinhold, herzlichen Dank für dein Lob. Es ist ja auch tatsächlich so, dass wir diese Länder und Völker überhaupt nicht kennen. Und ich versuche, meine Eindrücke so genau wie möglich weiterzugeben. Demnächst gibt es viele neue Geschichten und Fotos aus Tansania und Kenia. Bis bald und viele liebe Grüße
AntwortenNasser
about 5 Jahren agoHallo lieber Barbara ich danke dir fur die zauberhaft bilder .des hat mich sehr tief beeindruckt Nasser.
AntwortenHuebscher
about 5 Jahren agoLieber Nasser, entschuldige bitte, dass ich heute erst antworte, denn ich hatte einige Tage kein Internet zur Verfügung. Ich danke dir sehr für dein Lob. Äthiopien ist auch sehr beeindruckend. Es gibt so viel zu entdecken, was wir nicht kennen. Viele liebe Grüße
AntwortenNasser
about 5 Jahren agoich danke dir fur die zauberhaft bilder .des hat mich sehr tief beeindruckt Nasser.
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